Am 13. Oktober sind wir ausgezogen, um einen relativ grossen Teil von der Welt zu bereisen. Vieles "kannte" man ja schon aus Büchern, vom Fernsehen und vom Hörensagen. Wie aber wird unsere eigene Realität aussehen? Das Wichtigste vorab: Es ist wahr, man gewinnt an Erfahrung und verliert an Sensibilität von Tag zu Tag. In der ersten Zeit wunderten, freuten, ärgerten wir uns noch über Kleinigkeiten. Je besser man sich aber dem neuen Leben annimmt und die Umwelt akzeptiert, desto stumpfer wird man und es braucht einen grösseren Impact für negative wie aber auch positive Emotionen. Und genau dies ist unserer Ansicht nach einer der traurigen Aspekte einer solchen Reise. Denn Armut, Gewalt, Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, Umweltverschmutzung etc. sollten nie akzeptiert werden und gleichzeitig wäre es schön, die kindliche Freude über das "normale" sprich alltägliche Leben für immer beibehalten zu können. Wobei man auch eingestehen muss, dass jede Erfahrung (sprachlich, kulturell etc.) die man macht, hilft die nächste Hürde etwas gelassener angehen und bewältigen zu können. Somit ziehen natürlich auch wir, nach knapp einem Jahr ohne ein richtiges Zuhause, eine positive Bilanz. Die schönen Eindrücke und Erlebnisse haben auch bei uns klar überwiegt. Es war eine wunderschöne Zeit und wir schätzen uns glücklich, eine solche Reise ohne nennenswerte Zwischenfälle erlebt zu haben.

Eine der ersten Fragen mit denen wir jeweils konfrontiert werden, ist die nach den Highlights respektive welches das schönste Land mit den besten Sehenswürdigkeiten ist/war. So einfach ist das jeweils aber nicht zu beantworten und schon gar nicht ist unsere Meinung repräsentativ.

Ersten haben wir, auch wenn der Volksmund gerne von einer Weltreise spricht, nicht die ganze Welt bereist, noch kennen wir nach so kurzer Zeit irgendein Land gut genug, um darüber zu richten. Wir glauben, dass man dafür in einem Land für längere Zeit gelebt haben muss. Und selbst dann hat die eigene Wahrnehmung jeweils einen sehr subjektiven Charakter. Lustigerweise aber haben wir im Ausland sehr viel über die Schweiz und unsere Sicht(-weise)  gelernt und wir waren mehr als einmal versucht, über die Schweiz zu urteilen. Setzt man sich doch selten so intensiv und kontrovers mit der eigenen Heimat auseinander wie auf einer Reise.
Und Zweitens steht und fällt ein positives Urteil über ein Land mit den gemachten Bekanntschaften während des Besuchs.  Umso besser, wenn man dann tatsächlich nähere Bekanntschaft mit der lokalen Bevölkerung macht, denn dies ist nicht immer ganz so einfach. Neben den sprachlichen Barrieren gibt es auch noch die „geographischen“. Residiert man z.Bsp. in einem Ho(s)tel, nimmt an einer Touristentour teil und trinkt Kaffee @Starbucks, ist die Chance gross, dass man die ganze Welt trifft, nur keine „Locals“. Unsere schönsten Erinnerungen haben jeweils einen starken Bezug zu lokalen Personen ohne die wir die sogenannten Highlights  nicht gesehen, verstanden oder erlebt hätten. Wer weiss, vielleicht hatten wir jeweils nur Glück oder eben Pech. Nichtsdestotrotz wagen wir uns hiermit einmal auf das sprichwörtliche Glatteis, um euch unsere persönliche Meinung zu den verschiedenen Regionen und Kulturkreisen kundzutun. Vielleicht  können wir ja mit einem kurzen und knackigen Resümee den einen oder anderen Inspirieren, es uns gleichzutun - voilà:

 

Lateinamerika

Die Seenlandschaft rund um Pucon und Bariloche sind aufgrund der wunderschönen Landschaft sicherlich sehenswert. Grundsätzlich aber hat der südliche Teil von Südamerika es uns nicht so angetan. Nebst dem harschen Wetter war wohl die landschaftliche und kulturelle Ähnlichkeit zu Europa zu gross, um uns richtig zu begeistern. Dazu kam, dass wir im eigenen Auto unterwegs waren, was zwar praktisch war, aber auch isolierte. In Bussen, welche in den meisten Ländern sehr komfortabel sind und man dazu noch das Geld für die Übernachtung sparen kann, kriegt man definitiv mehr vom Leben der Einheimischen mit. Zusätzlich kommt man sehr schnell ins Gespräch mit der lokalen Bevölkerung. Wir empfehlen deshalb mit den Bussen zu reisen, wobei man sich aber an die zuverlässigen, sicheren und marginal teureren Firmen (z. Bsp. Cruz del Sur) halten sollte. Speziell wenn man für mehr als "nur" ein paar Stunden unterwegs ist, was mehr der Regel als der Ausnahme entspricht. Die Distanzen sind riesig, die Strassen schlecht und die Grenzübergänge relativ kompliziert. So kann es schon einmal vorkommen, dass 500km an die 15 Stunden in Anspruch nehmen, falls für einmal alles rund laufen sollte. Fairerweise muss man aber sagen, dass dies hauptsächlich für die Länder nördlich von Argentinien zutrifft. Waren aber genau diese Länder kulturell reich, landschaftlich vielfältig und die meisten Leute sehr offen und kontaktfreudig. Unsere persönlichen Favoriten sind Peru, Ecuador und Kolumbien. Klar ist die Sicherheit ein Issue, solange man aber vernünftig und wachsam reist, kann man die Risiken entsprechend minimieren. Und viel Geld braucht man sowieso nicht mit dabei zu haben, denn mit sFr. 40.- im Tag lebt man sehr gut in diesen Ländern. Dasselbe gilt übrigens auch für die von uns besuchten Länder in Zentralamerika, Costa Rica mal ausgenommen. Auch zum Surfen und Sonnenbaden haben uns Panama und Nicaragua überzeugt, wobei letzteres sicher die grössere Herausforderung darstellt, um bereist zu werden, speziell als Frau. Zudem war die Volunteerarbeit für uns eine sehr wertvolle Zeit, denn man kommt schnell in Kontakt mit Einheimischen aus allen Schichten und ist Teil deren Leben und nicht nur Zuschauer. Ein Monat reicht unserer Ansicht nach dabei aber aus, es sei denn, man spricht die Sprache, hat das nötige Fachwissen und kennt die Kultur.

 

Vereinigte- und Inselstaaten

Über die USA möchten/können wir an dieser Stelle nicht allzu viel sagen. Einzige Bemerkung: Nach diversen Reisen in den USA (im Total während mehr als einem Jahr) ist Tucson noch immer Stefans Städtetipp no. One. Nun aber zu den richtig exotischen und somit interessanten Eindrücken. Gibt es einen Stereotyp wie Schweizer sich Ferien vorstellen? Falls ja, wir haben ihn gefunden! Angenehmes Klima, warmes Wasser, schöne Sandstrände – das Paradies. Wobei auch im selbsternannten Paradies ist nicht immer alles Gold was glänzt. Klar, Hawai’i verfügt über alle Attribute die unser Paradies benötigt und hat zusätzlich sogar westlichen Standard zu bieten. Summa Summarum: Es waren die perfekten Ferien. Uns fehlte aber irgendwie die Authentizität! Schliesslich verspricht man sich von einer Reise mehr als „nur“ Erholung und Psychohygiene. Unser Geheimtipp heisst deshalb Mikronesien. Zugegeben, es braucht mindestens zwei Tage, um überhaupt dorthin zu kommen und von westlichem Standard kann keine Rede sein; aber es ist die Mühe wert. Zumindest wenn man an fremden Kulturen, schönen Sandstränden, kristallklarem Wasser und frischem Seafood interessiert ist. Vor allem der letzte Punkt ist dabei nicht zu unterschätzen - auf den Tisch kommt, was der Archipel zu bieten hat. Fleischwaren, SPAM (Dosenfleisch) und Hunde! einmal ausgenommen, gibt es nicht. Mit frischem Yellow Fin Tuna und Coconut Crab auf dem Teller kann man(n) aber gut und gerne für ein paar Wochen darauf verzichten! Es ist schon verrückt: Wir wähnten uns im Paradies und dies obwohl wir auf einen grossen Teil - was einem als wichtig erscheint - zu verzichten hatten. Natürlich hatten wir auch ein bisschen Glück, dass wir die Zeit nicht in einem überteuerten Hotel sondern direkt bei den Locals verbringen durften. Ohne diese Möglichkeit würden wir heute wahrscheinlich nur halb so euphorisch über die Zeit in Mikronesien berichten und vielleicht sogar noch die Insel Guam in unseren Highlights erwähnen. Zudem hätten unsere budgetierten sFr. 50.- pro Tag und Kopf kaum ausgereicht, um ein bisschen Zeit im Paradies zu verbringen.

 

Eurasien  

Es war ein Kulturschock. Es war nervenaufreibend. Es war ein riesen Erlebnis! China und Japan sind wohl eher nichts für „Reisebeginner“, aber genau diese Tatsache macht diese beiden Länder so spannend. Obwohl diese gegensätzlicher kaum sein könnten. Beide Länder haben tiefe Spuren in uns hinterlassen. Wir denken da vor allem an den buddhistischen und muslimischen Teil von China sowie Japan als Gesamt(kunst)werk. Natürlich wäre es gelogen, wenn wir sagen würden, dass es nur positive Erlebnisse waren. Wir haben uns grün und blau geärgert. Trotzdem aber wollten wir immer mehr entdecken und uns neuen Herausforderungen stellen, denen wir heillos überfordert gegenüberstanden. Wir scheiterten regelmässig bei Essensbestellungen, Ticketkäufen,  Reiseanträgen (Visa, Autorisierungen etc.) …you name it! Zuerst dachten wir, das hat vor allem damit zu tun, dass wir weder japanische noch chinesische Zeichen lesen können. In Tat und Wahrheit, dies gilt speziell für Japan, denn da ist alles sehr gut „bebildert“, liegt das eigentlich Problem darin, dass diese Leute einfach anders denken, sprich es anders (auch) funktioniert.

Yep, wenn man Japan mit einem Adjektiv beschreiben müsste,  dann wäre das: anders. Eine Industrienation mit eigenen Gesetzen. Ein Land der Gegensätze. Grossstadtdschungel Hand in Hand mit wunderschöner Natur. Man muss es gesehen, oder besser gesagt erlebt haben. Und das geht ganz einfach und günstig. Falsch! Es geht wahrscheinlich nur entweder oder. Und nie ganz einfach. Den ganz normalen japanischen Weg also. Wir haben versucht günstig zu reisen. sFr. 60.- pro Tag und Kopf reichten zum (Über)leben. Der öffentliche Verkehr ist mit dem in der Schweiz zu vergleichen. Die Leute sind hilfsbereit und freundlich. Und da ist immer ein „aber“ – auf diese verzichten wir #### an dieser Stelle. Wir könnten noch stundelang erzählen. Verstehen wird man es erst, wenn man es selbst erlebt hat. Stefan hat viel gelernt von Japan. Sandra liebt Tokyo!

China ist ein Land mit vielen verschiedenen Kulturen, wobei die Han-Chinesen die „richtigen“ sind. China hat eine Milliarde Einwohner und dementsprechend funktioniert hier alles (mehr oder weniger). Mit den Han-Chinesen (Xian und östlich) haben wir uns schwer getan. Mit ein bisschen Abstand können wir nun den Moralapostel in uns soweit zügeln, dass wir hiermit nicht weiter auf das Thema eingehen. Der westliche Teil von China aber war schlicht und einfach eine Sensation! Die verschiedensten Kulturen, meist gastfreundliche und offene Menschen - Reiseherz, was willst du mehr?! Landschaftlich wohl das schönste was wir bisher gesehen haben. Zugegeben, ganz ungefährlich sind diese Regionen nicht und man ist der Willkür des Regimes ausgesetzt. Mit der entsprechenden Aufmerksamkeit, Spontanität, einem „Ohne-Wörterbuch“ und sFr. 50.- pro Tag und Kopf kriegt man hier ein Abenteuer, von dem man seinen Enkeln noch erzählen wird. Die Erlebnisse aus den anschliessenden gut 250 Stunden die wir im Zug verbracht haben, werden dann wohl eher als Gute Nacht Geschichte dienen.

 

Am Ende unserer Reise angelangt, können wir nur hoffen, dass wir die Menschen gleichstark geprägt haben mit unseren Ideen, Erfahrungen und Einstellungen, wie sie uns. Es existieren nach wie vor zu viele Gerüchte und Vorurteile über die verschiedenen Kulturen/Orte auf diesem Planeten. Es ist an der Zeit mit diesen aufzuräumen und sich ein eigenes Bild direkt vor Ort zu machen – Let’s go, Tanoshinde & Suerte!